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Von automatisierten Objekten und autonomen Menschen – „Garagist“ von Pätzug/Hertweck im adhoc Raum (Bochum)

von Agnes Sawer

Ein Garagentor schließt und öffnet sich. Immer und immer wieder. Knarzend hebt sich die Metalltür, um sich dann wieder langsam nach unten zu begeben. Kommt man ihr näher, setzt sie sich wieder in Bewegung, und so weiter und so fort.

Der Clou dabei: das Tor befindet sich in einer Garage. Das Künstlerduo Irene Pätzug und Valentin Hertweck haben es hinter einem anderen Tor installiert. Das, was sich im Inneren der Garage befindet, findet im Äußeren seinen Widerhall….

Pätzug/Hertweck: „Garagist“ im adhoc Raum (Bochum). Foto: Christian Gode

Anthropologisches Ding

von Reinhold Oertel

Für das Duo PätzugHertweck steht die spielerische Verunsicherung alltäglicher Raumerfahrung im Fokus der künstlerischen Auseinandersetzung. An zentralen Berührungspunkten von anthropologischen, architektonischen und geometrischen Räumen platzieren sie mechanisch animierte skulpturale Elemente, die den Besucher in seinen Gewohnheiten, Räume zu handhaben, übervorteilen und vereinnahmen. Der Raum rückt dem Betrachter auf den Leib. Die Strukturen subjektiver Raumerfahrung werden den daran Beteiligten so überhaupt und neu bewusst gemacht.

Zusammenhänge der klassischen Mechanik, im Zeitalter der Quantenmechanik, als basalen Baustein und logisches Rückgrat von Rauminterventionen zu wählen, birgt den Vorteil, dass solche Installationen, ohne versteckte technologische Umschweife die abstrakten Aspekte dieser Räume materialisieren und beleuchten können.

Dafür greifen PätzugHertweck mit minimal-invasiven Installationen in Räume ein, die im Alltag absolut klar und selbstverständlich sind. Durch ihre Transformation wird der Besucher in eine anfänglich beinahe infantil anmutende Umgebung geschubst, von der er ein begrenzteres und weniger zusammenhängendes Verständnis hat. Dennoch bleiben auch die transformierten Räume klar und übersichtlich. Der Besucher kann sein Raumverständnis dadurch wieder vervollständigen und unter neuem Vorzeichen zurückgewinnen. So wird in der Arbeit „Remter gefaltet“ mit dem Öffnen der Tür vorübergehend eine dysfunktionale Raumsituation geschaffen, die mit dem Schließen der Tür aufgeklärt wird, indem der „Raum“ eine dem Besucher noch bevorstehende Geste einladend andeutet. Durch die asynchrone Entfaltung der einzelnen Komponenten wird die Installation insgesamt erst durch die Anwesenheit mehrerer Personen vollständig erschließbar und bringt den architektonische Raum in einen direkten Zusammenhang mit dem dadurch bedingten sozialen Raum.

Die skulpturalen Elemente weisen einen klaren und starken Bezug zur umgebenden Architektur auf und werden durch Aktivitäten der Besucher oder durch mechanische Antriebe, die ein zufälliges Moment beinhalten, aus ihrer Position des reinen Vorhanden-Seins in die Nähe eines prototypisch humanoiden Daseins gerückt.

Gleichzeitig spielen sie durch ihre funktionalen Zusammenhänge eindeutig auf alltäglich ausgeführte Handlungen, innerhalb aber auch außerhalb, dieser Räume an. Durch die Bewegung verwandeln sich die skulpturalen Elemente in rudimentäre Akteure, werden  zur Projektionsfläche für den sozial und mental determinierten Gehalt der Räumlichkeiten, betonen jedoch aufgrund ihres fragmentierten Charakters umso stärker ihre gegenständlichen Aspekte.

Die Arbeit „Limit Agil“ beispielsweise exponiert und kartografiert durch den „Tanz“ der Wand, den Komplex der geometrischen Eigenschaften des Raumes bleibt in ihrer Rolle als „Tänzer“ gleichwohl ein Relikt. Es entsteht an und durch die bewegte Skulptur ein Ort, der gleichsam einer Bühne gegenständliche und performative Aspekte des Raumes in eine spürbare wechselseitige Nachbarschaft bringt.

Die auf diese Bühne gebrachten Gesten werden, wie die angeführten Beispiele illustrieren, durch die Eingriffe mechanisch verkettet, dem Besucher entzogen oder auch vorauseilend vorgeführt. Das Geflecht von Mensch und Raum wird  aktiviert, als ein existentielles Phänomen erfahrbar und neuer Reflexion zugänglich.